Praxisschwerpunkt: Kreuzbandplastik
In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden anfänglich nahezu alle rechtzeitig diagnostizierten Bänderrisse am Sprunggelenk und Kniegelenk zeitnah operativ versorgt. Dies hat sich inzwischen entscheidend geändert.
Dabei hat die operative Versorgung gerissener Bandstrukturen einen nahezu euphorischen Höhenflug hinter sich – insbesondere in Deutschland mit seiner jahrhundertelang führenden Rolle in der Entwicklung chirurgischer Techniken.
Jede operative Versorgung bedeutet zunächst die Schädigung von Venen und Lymphgefäßen, bringt ein Risiko an Thrombose- und Infektionsgefährdung mit sich und verzögert zunächst die körpereigenen Heilungsvorgänge auch durch das eingebrachte Fremdmaterial. Zudem werden heute mit Recht Kosten-Nutzen-Relationen medizinischer Eingriffe hinterfragt und damit bei gleichwertigen Verfahren in der Regel der billigere konservative Behandlungsweg bevorzugt.
Die kostengünstigere und komplikationsärmere Ausheilung der Bänderrisse am Sprunggelenk, des Innenbandrisses am Kniegelenk und zum großen Teil der Achillessehnenrisse und der Rotatorenmanschettenverletzungen an der Schulter steht zwischenzeitlich außer Frage. Entscheidend ist hierbei die exakte Diagnose ohne Übersehen von wichtigen Begleitverletzungen, die sofortige ausreichende Schonung der verletzten Struktur in der Heilungsphase von etwa sechs Wochen beim Menschen (genetisch fixiert!) und die konsequente Nachbehandlung.
Die Aufklärung und Führung des Patienten mit wiederkehrenden Ermahnungen zu angepasstem Verhalten ist dabei ganz entscheidend. Ohne operative Versorgung muss hier leider sehr viel häufiger mit einer Unterschätzung des Verletzungsausmaßes und damit uneinsichtigem und fehlerhaftem Verhalten des Patienten gerechnet werden. Der Patient muss die Verletzung ebenso ernst nehmen wie nach operativer Versorgung.
Großer Unsicherheit und Verständnisproblemen begegnen wir ganz häufig beim konservativen Behandlungsversuch der vorderen Kreuzbandrupturen am Kniegelenk. Und dies zum Teil mit Recht, weil hier keine über 90%-igen Ausheilungsraten wie nach Innenbandrissen zu erwarten sind. Das Misstrauen besteht andererseits gleichermaßen zu Unrecht, weil auch das vordere Kreuzband auf konservativem Wege nach unserer Erfahrung trotz widersprüchlicher Expertenaussagen in etwa 30 % der Patienten ausheilen und zu einem stabilen und wieder voll belastbaren Kniegelenk führen kann.
Das vordere Kreuzband verbindet den Unterschenkelknochen (Tibia) mit dem Oberschenkelknochen (Femur) und verläuft hierbei in schräger Verlaufsstrecke frei durch die Kniegelenkshöhle. Vorderes und hinteres Kreuzband sind aber keine elastischen Bänder, die sich nach Riss zurückziehen. Sie verlaufen intrasynovial, also geschient durch einen dehnbaren Schleimhautschlauch, der die gerissenen Bandenden in einem höheren Prozentsatz als gemein hin angenommen in engem Kontakt hält und damit grundsätzlich über den vor Ort festgehaltenen Bluterguss eine ausgezeichnete konservative Heilungschance eröffnet.
Die Heilung wird natürlich nicht der Fall sein können, wenn das vordere Kreuzband mit der Synovialhülle völlig zerfetzt wurde und die Rissenden zentimeterweit voneinander entfernt an hinterer Kapsel oder Schienbeinkopf verlagert aufliegen. Den Risstypus und eventuell operationspflichtige Begleitverletzungen an Knorpel- oder Meniskusstrukturen kann man sehr gut auf kernspintomographischen Bildern nachvollziehen.
Nach unseren reichhaltigen Erfahrungen der letzten 10 Jahre eignen sich etwa die Hälfte der Patienten ideal für einen konservativen Behandlungsversuch mit Verwendung einer vorderen Kreuzbandschiene für sechs Wochen mit Eingrenzung der Beweglichkeit. Hierbei wird nur die volle Streckung und die Beugung über 90 Grad verhindert und die Unterschenkelverschiebung verhindert. Kleinschrittiges Gehen unter Alltagsbedingungen ist erlaubt und der Bandheilung nicht abträglich. Die Patienten sind damit in vielen Berufssparten arbeitsfähig. In der 7. Woche nach dem Unfallereignis kann das natürliche Ausheilungsergebnis sehr gut von Hand getestet werden.
Bei festem Widerstand ohne wesentlichen Seitenunterschied im sog. Lachmann-Test ist die weiterführende konservative Rehabiliations-Anschlussphase einzuleiten. Der Patient muss dann keiner Sehnenersatzoperation (sog. Kreuzbandplastik) zugeführt werden. Die natürliche Heilungsphase hat zudem den Vorteil, das früher übliche zweizeitige Operieren mit zwei Narkosen komplett zu vermeiden.
Wenn es nämlich nicht zu einem stabilen Ausheilungsergebnis gekommen ist, muss zwar weiterhin das vordere Kreuzband durch körpereigene Sehne ersetzt werden. Dies bedeutet aber in jedem Fall nur einen operativen Eingriff ohne die häufig geübte vorausgängige Gelenkspülung und Fetzenresektion, die ja die Heilungsmöglichkeiten des vorderen Kreuzbandes nur entscheidend verschlechtert hat. Auch Begleitverletzungen können in einer Sitzung mit behandelt werden.
Für sportlich höhere Ansprüche besteht auch bei stabilem Lachmanntest die Möglichkeit, das natürlich geheilte Band durch arthroskopischen Operation weiter zu verstärken (Anfrischung der Kreuzbandansätze). Durch den Anfrischungs-Eingriff wird eine zweite Vernarbungsphase ausgelöst, die das natürliche Band weiter verstärkt und ebenfalls ein vorderer Kreuzbandersatz vermieden.
Bei Durchsicht vieler hundert Behandlungsfälle der letzten 10 Jahre kristallisiert sich eine stabile konservative Ausheilungsrate von etwa 25 – 30 % der Kreuzbandverletzungen heraus. Dies bedeutet, dass einem von vier Patienten die früher üblichen operativen Eingriffe völlig erspart werden können.
Ob eine frühzeitige sog. Anfrischungsoperation in den ersten Tagen/ Wochen nach dem Unfall – also vor Abschluss der natürlichen Vernarbungsphase – deutlich höhere und bessere Heilungsergebnisse erzielen kann, ist derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Leider existieren bisher nur kleinere Erfahrungsberichte aus schwerpunktlich-Operationszentren, die keine verlässlichen Vergleichszahlen zur natürlichen Vernarbung ohne Anfrischung bieten können. Es bleibt damit im Augenblick unklar, ob die Freisetzung von Stammzellen durch Frakturierung der Knochenansatzzone und die zusätzliche Injektion von körpereigenem Konzentrat aus Gerinnungsplättchen (Thrombozytenkonzentrat, PRP, ACP) den operativen Aufwand mit seinen Risiken und Kosten wert sind. Die Entscheidung sollte in unseren Augen individuell ohne Zeitdruck und unter Wertung der Kernspintomographiebilder getroffen werden. Kreuzbandrisse vom Typ 1 oder 2 ohne wesentliche Zerfetzungsanteile werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auf natürliche Weise ohne Operation oder Anfrischung stabil ausheilen.
Nur den Teil-Zerfetzungen (Typ 3 und evtl. Typ 4) der Kreuzbandrisse sowie den knochennahen Abrissverletzungen raten wir derzeit zum operativen Vorgehen mit Einsatz der Kreuzband-erhaltenden Techniken wie Anfrischung, Nahtadaptation oder ACP-Injektion.
Die Qualität des Kernspintomogramms und vor allem die persönliche Erfahrung des beurteilenden Operateurs ist hier neben der Wertung des Unfallhergangs und der händisch getesteten Stabilität das entscheidende Kriterium für oder gegen einen operativen Eingriff. Wir schließen uns derzeit keinesfalls der Meinung an, nur der arthroskopische Blick ins Gelenk, also die baldmögliche Operation in jedem Fall ermögliche eine sichere Diagnose und die alleinige oder beste Chance, sein natürliches Kreuzband zu bewahren.
Ihr Orthopäden-Team im MVZ
Unsere Gemeinschaftspraxis im Gewerbepark besteht aus 9 Fachärzten, Orthopäden und Unfallchirurgen: Dr. Gerhard Ascher, Dr. Thomas Katzhammer, Ulrich Kreuels, Prof. Dr. Clemens Baier, Dr. Jochen Wolfsteiner, Dr. Kornelia Ascher, Dr. Frederik von Kunow, Prof. Dr. Felix Greimel und Dr. Matthias Plinke.